Sparen für die Vielen, Milliarden für die Waffen?

Lena Stern

Seit Monaten hören wir dieselbe Botschaft: „Wir müssen sparen.“ Doch während wir Einsparungen hinnehmen müssen, fließen gleichzeitig Milliarden in Militär und Aufrüstung. Was auf den ersten Blick widersprüchlich wirkt, ist in Wahrheit Ausdruck derselben Logik: Ein System, das Profite über Menschen stellt.

Sparpolitik auf dem Rücken der Vielen

Was wir derzeit erleben, ist vor allem eine Sparpolitik auf dem Rücken der Vielen. Denn mit „wir“ die sparen müssen, sind lang noch nicht alle gemeint. Während die österreichische Bundesregierung im Zuge ihres Budgetplans Beiträge für Pensionist*innen erhöht, die Familienbeihilfe kürzt und beim Klimaschutz einspart, bleiben Vermögen und Gewinne der Reichsten nahezu unberührt. Das, obwohl Österreich zu den Ländern mit der höchsten Vermögenskonzentration in Europa zählt. Drei Viertel der Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung bestehen aus Kürzungen, während nur ein Viertel durch zusätzliche Einnahmen zustande kommt, etwa durch höhere Steuern für Banken, aber auch durch steigende Gebühren für Reisepässe, Führerscheine und Amtswege. Dabei war es unter anderem die Überförderung von Unternehmen während der Coronakrise, die sogar in dieser Zeit profitiert haben, durch die der Schuldenberg entstanden ist – und nicht aus Maßnahmen, die uns allen zugutegekommen wären. Umso zynischer ist es, dass Vermögende und Konzerne erneut gut davongekommen.

Der Spardruck wird fast immer mit den Worten: “Wir können uns das nicht mehr leisten und die wirtschaftliche Situation zwingt uns dazu notwendige Einsparungen vorzunehmen,“ begründet. Die Ansicht, dass vor allem in Krisenzeiten eingespart werden muss, gab es nicht seit jeher. 

"Mit dem Neoliberalismus wurde das Dogma der „Schwarzen Null“, heißt dass Einnahmen und Ausgaben eines Staates ausgeglichen sein müssen, wieder groß. Dass Ausgaben eines Staates wichtige Investitionen in Pensionen, Bildung, Gesundheit und Klimaschutz sein können, ist nicht Teil dieser Erzählung oder wird bewusst weggelassen."

Vor allem die EU spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Mit den Maastricht-Kriterien die in den 1990er Jahren eingeführt wurden, wurde neoliberale Sparpolitik vertraglich festgelegt. Die Maastricht-Kriterien legen fest, dass Mitgliedsstaaten der EU nicht mehr als 3% Neuschulden aufnehmen dürfen. Notwendige Investitionen in Krisenzeiten, um etwa Arbeitsplätze zu sichern, werden durch diese Obergrenze verunmöglicht. Unter dem Druck dieses Ziel zu erreichen, wurde in den letzten Jahrzehnten der Sozialstaaten in vielen EU-Ländern ausgehöhlt und die Erzählung „Sparen sei Alternativlos“ hat sich durchgesetzt.

Ausnahme: Aufrüstung

Doch dieser Spardruck gilt offenbar nicht überall. Während die Maastricht-Kriterien oft als unumstößlich dargestellt werden, zeigt die EU selbst, dass sie diese Regeln nicht allzu ernst nimmt, sobald es um „notwendige“ Ausgaben geht. Notwendig sind dabei jedoch nicht Investitionen in den Sozialstaat, sondern in die Militarisierung Europas. Mit dem Projekt “ReArm Europe“ sollen 800 Milliarden Euro in die Rüstungsindustrie fließen, dazu ein weiterer Fonds von 150 Milliarden Euro, um die Mitgliedstaaten bei der Aufrüstung zu unterstützen.

Für die Bedürfnisse der Menschen gilt also Sparzwang, während für die Rüstungsindustrie Milliarden locker gemacht werden. Auch in Österreich zeigt sich dieser Widerspruch deutlich. Während die Arbeitslosigkeit steigt und das Leben für viele immer teurer wird, erhält das Bundesheer zusätzliche vier Milliarden Euro, hauptsächlich für den Ankauf von Drohnen und Luftabwehrsystemen. Das Problem ist also nicht, dass „kein Geld da“ wäre. Das Problem ist, wofür es ausgegeben wird und für wen.

Dass Aufrüstung wieder im Zentrum politischer Debatten steht, ist kein Zufall. Weltweit finden derzeit 21 Kriege statt, dreimal so viele wie noch vor 15 Jahren. Vor allem die EU und die USA treiben die globalen Rüstungsausgaben nach oben. Aufrüstung wird dabei als einzige Alternative präsentiert, während Kriege als zusammenhangslose Tragödien dargestellt werden. Dabei ist es kein Zufall, dass Kriege stattfinden, sondern Teil des kapitalistischen Systems. In einer Wirtschaftsordnung, die auf Konkurrenz und Profitmaximierung beruht, sind Rüstung und Krieg nicht Ausnahme, sondern logische Folge. 

Die Rüstungsindustrie profitiert enorm und gleichzeitig dient die Schaffung äußere Feindbilder dazu Klassenwidersprüchen in unserer Gesellschaft zu überdecken. Denn wer sich gegen einen „äußeren Feind“ wappnen muss, stellt den Kampf gegen kapitalistische Ausbeutung im eigenen Land zurück. Doch mit jeder neuen Waffe wächst die Gefahr neuer Konflikte. Denn Waffen werden nicht einfach gelagert – sie müssen auch eingesetzt werden, um die Rüstungsindustrie am Laufen zu halten. Und während Konzerne ihre Profite sichern, sind es Arbeiter*innen und Zivilist*innen, die die Leidtragenden sind. 

“Denn Waffen werden nicht einfach gelagert – sie müssen auch eingesetzt werden, um die Rüstungsindustrie am Laufen zu halten. Und während Konzerne ihre Profite sichern, sind es Arbeiter*innen und Zivilist*innen, die die Leidtragenden sind.”

Raus aus dem Spardruck, raus aus der Aufrüstungsspirale

In einer Zeit, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht und das Leben für die Mehrheit immer unleistbarer wird, ist Militarisierung genau das Gegenteil dessen, was wir brauchen. Die Milliarden, die derzeit für Aufrüstung ausgegeben werden und Konflikte verschärfen, könnten stattdessen genutzt werden, um den Folgen jahrzehntelanger Kürzungspolitik entgegenzuwirken. Die Lebensrealität vieler Menschen hat sich in den letzten Jahren schleichend, aber spürbar verschlechtert, das zeigt sich z.B. daran, dass die Reallöhne in Österreich vor allem in niedrigeren Einkommensschichten gesunken sind. Kein Wunder also, dass viele Menschen frustriert sind und das Vertrauen in die Politik verlieren.

Gerade deshalb braucht es eine Gegenerzählung zu Aufrüstung und Spardruck, um die Bedürfnisse der Vielen in den Mittelpunkt zu stellen. Dass mit dem Spardogma gebrochen werden kann, zeigt sich an der Aufrüstung, nur geschieht es derzeit zugunsten der falschen Interessen. Statt Milliarden für Drohnen und Raketen freizumachen, braucht es dieses Geld für gute Bildung, leistbares Wohnen, gerechte Arbeitsbedingungen und einen wirksamen Klimaschutz. Jeder Euro, der ins Militär fließt, fehlt dort, wo er dringend gebraucht werden würde, nämlich in unserem Kampf für ein gutes und lebenswertes Leben für alle.