Rechtsextremismus und Esoterik

Noah Düker

Egal ob Horoskope, Heilsteine, Tarotkarten oder das Lesen aus Handflächen. Jeder, der sich in den letzten Jahren im Internet oder auf Partys herumgetrieben hat, ist schon mit mindestens einer dieser esoterischen Praktiken in Berührung gekommen. Für viele ein harmloser Spaß, der im besten Fall Kopfschütteln hervorruft, für einige eine nahezu religiös – missionarisch betriebenes Ritual. Was vielen jedoch unklar ist, sind die Ursprünge vieler dieser esoterischen Bräuche, die sich in den meisten Fällen in rechts bis rechtsradikalen Kreisen finden lässt. Das erklärt auch die Zahlreichen Verstrickungen zwischen Esoterikszene und der Neuen Rechten.

Eine gemeingültige Definition von Esoterik gibt es nicht, die Esoterikszene setzt sich aus vielen verschiedenen Strömungen zusammen – welche Praktiken hineinfallen und welche nicht, wird heiß diskutiert. Im Allgemeinen versteht man allerdings ein „Gemisch aus okkultistischen, anthroposophischen und metaphysischen Lehren und Praktiken“. Alles MUSS aus einem Grund passieren und schuld daran sind, je nach Strömung, verborgene, kosmische Energien, Chakren oder die Position großer, Lichtjahre entfernter Gaskugeln, die das Leben lenken. Kurz: wenn die Wissenschaft keine persönlich zufriedenstellenden Antworten bereitstellt, dann müssen höhere Mächte bzw. Kräfte herhalten. Ohne jegliche logische oder wissenschaftliche Grundlage – es geht nicht um die „richtigen“ Antworten, sondern um die, die das beste Bauchgefühl hinterlassen. Auch wichtig zu betonen ist, dass Menschen, ähnlich wie bei Religion, eher Glaubens-anfälliger werden, wenn sie schwere Zeiten durchmachen, wichtige Personen evtl. verloren haben oder an schweren Krankheiten leiden.

 

Warum Menschen zu Esoterik greifen

Laut der Politikwissenschaftlerin Katharina Nocun lässt sich die Beliebtheit von esoterischen Praktiken stark auf die religiös-spirituellen Versprechungen zurückführen, die sich Esoterik: Innen von Ihrer neu gefundenen Religion erwarten. Für viele, insbesondere junge Menschen, geht es darum, „etwas besonderes“ zu sein. Das Gefühl, einen geheimen Lebens-Code gefunden zu haben, den sonst niemand kennt und der einem einen tieferen Einblick in die, erdachten, unterliegenden Energien und Mechanismen des Lebens gibt. Die verborgene Wahrheit, den heiligen-Gral der Erkenntnis in Händen zu halten, dem man mit Ritualen und Hexereien mehr Geheimnisse entlocken kann.

Eine Studie der Universität Leipzig besagt, dass fast 30 Prozent der Deutschen an Wunderheiler glauben, die mit übernatürlichen Kräften arbeiten. Fast ein Drittel der deutschen Bevölkerung glaubt, dass Sternzeichen den Verlauf ihres Lebens beeinflussen können und Lichtjahre entfernte Gaskugeln sich für ihren Alltag interessieren, auch wenn sie es selbst nie so formulieren würden, denn streng betrachtet wirkt dieser Aberglaube für viele dann doch zu albern.

“Während Rechte Charaktereigenschaften von Personen auf Indikatoren wie Herkunft, Hautfarbe oder Religion zurückführen, schieben Astrology enjoyer diese Charaktereigenschaften auf den Zeitpunkt, an dem sich die Eltern gegen Verhütung entschieden haben und was Sonne Mond und Sterne eigentlich so gemacht haben, als man geboren wurde."

Politische Implikationen der Esoterik

Viele fragen sich jetzt, was das bisschen Alltags-Esoterik mit rechtem Gedankengut zu tun haben soll. Eine berechtigte Frage, da auch viele Menschen, die sich im politischen Spektrum als links einordnen würden, esoterische Praktiken gutheißen. Die Verknüpfung zwischen rechter Ideologie und der Esoterik verlaufen auf zwei Ebenen.

Auf der einen Seite decken sich Denkmuster gewisser esoterischer Praktiken mit derer rechter Ideologie. Die Astrologie bedient sich zum Beispiel massiv der Verallgemeinerung und induktiver Logik. Während Rechte Charaktereigenschaften von Personen auf Indikatoren wie Herkunft, Hautfarbe oder Religion zurückführen, schieben Astrology enjoyer diese Charaktereigenschaften auf den Zeitpunkt, an dem sich die Eltern gegen Verhütung entschieden haben und was Sonne Mond und Sterne eigentlich so gemacht haben, als man geboren wurde. Natürlich sind die Motivationen der beiden Gruppen verschieden und die Astrolog:Innen nicht auf die Legitimierung von Rassismus aus, dennoch werden mit solchen Praktiken diese Denkmuster legitimiert.

Alte Rechte

Auf der anderen Seite steht die historische Verbindung zwischen der Esoterik und der „völkischen“ Mythologie. Oft geht es dabei um angebliche mündliche Überlieferungen, heidnisches Brauchtum, Druiden, Kräuterhexen und andere urtümlich wirkende Symbolik. Wie viel davon tatsächlich aus dem Altertum kommt, ist in der modernen Esoterik schwer zu beurteilen.

Wenn man sich bekannte Esoteriker aus der Vergangenheit ansieht, wird die Verbindung zwischen der Alten Rechten und der Neuen Rechten deutlich: Auch wenn die Nationalsozialisten diverse Esoterikströmungen als Konkurrenzbewegungen verbieten ließen, duldeten sie die esoterische Ausrichtung von Heinrich Himmler und Rudolf Heß. Ersterer war der Leiter der SS Verbrecher Truppe, der Zweite Hitlers „second in command“ bis 1941. Himmlers Esoterikglauben führte dazu, dass er sich für die Gründung der „Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe“ ins Leben rief, eine Gemeinschaft, die neben pseudowissenschaftlicher und pseudoarchelogischen Methoden nach dem „Ursprung der arischen Rasse im Himalaya“ suchte. Auch der Mythos, die Pyramieden wurden von „Außerirdischen“ errichtet, die Himmler als „Ur-Arier“ bezeichnete, stammt aus der Zeit der NS und aus deren rassistischer Grundlehre.

 

Neue Rechte

Ein prominentes Beispiel wie eng Rechte und Esoteriker in Österreich verstrickt sind, ist niemand geringeres als Ex-Vizekanzler Heinz Christian Strache. Dieser trägt nämlich laut Aussagen seines ehemaligen Bodyguards eine Messingplatte in der Unterhose, die ihn vor Angriffen aller Art schützen soll. Strache soll laut besagtem Bodyguard einen Hang zur Esoterik haben, zu Schamanen und Wunderheilern gegangen sein und sogar bei Fernsehauftritten solcher Scharlatane im Publikum Platz genommen haben. Auch einem anderen FPÖ-Spitzenfunktionär, namentlich dem EU Abgeordneten Harald Vilimsky, sollen bei einem Wunderheiler im Burgenland „böse Geister“ aus dem Bauch gesaugt worden sein. Was jetzt nach einem Einzelfall klingt, ist aber in der FPÖ wie immer kein Einzelfall. Der Trend innerhalb der blauen Partei und im weiteren Sinne auch der rechten Szene, zeigt sich auch in der jüngeren Vergangenheit auf Österreichs Straßen, nämlich während der Covid-19 Pandemie.

Die großen Gewinner des derzeitigen Esoterikhypes sind in erster Linie rechte Kräfte. Das war vor allem während der Coronapandemie sichtbar, als Esoterik Gurus Hand in Hand mit Rechtsradikalen und Reichsbürgern auf die Straße gingen, um gegen die Coronamaßnahmen zu demonstrieren. Antisemitische und wissenschaftsfeindliche Parolen all-inclusive. Aber auch in den Jahren nach der Pandemie bleibt das Bündnis zwischen Rechtsextremen und Esoterikern bestehen. In Deutschland wurden erst im Juni 2023 wieder einmal esoterische Schriften bei Razzien im Reichsbürger-Milieu sichergestellt, so etwa eine esoterische Abhandlung mit dem Titel »Die Smaragdtafeln von Thoth dem Atlanter« und ein Satellitentelefon, das mit Alufolie umwickelt war – offenbar zum Schutz gegen Lauschangriffe.

 

Esoterik für alle – wie TikTok promoted

Heutzutage versuchen Esoteriker*Innen besonders in sozialen Medien Deutungshoheit zu erlangen, angefangen von Horoskopen, bei denen mit sogenannten „Self fullfilling prophecies“ möglichst breite Vorhersagen getroffen werden, die dann von Anhänger*innen der Esoterik am Ende des Tages so zurechtgebogen werden, damit sie zutreffen – bis hin zu Wunderheilern, Hellseher:Innen und selbsternannten Hexen. Aber für manche ist das nur der Anfang: Wenn wissenschaftliche Erkenntnis und medizinische Forschung ja viel besser durch kosmische Strahlungen und die Gestirne erklärt werden können, warum sollte ich dann noch der Politik vertrauen, wenn doch alles anders ist als es scheint. Und auch Studien belegen den Zusammenhang zwischen Esoterikgläubigkeit und Verschwörungsgläubigkeit.

Diese Verschwörungsmythen haben ihren Ursprung nicht selten in alten, antisemitischen Märchen wie der „Jüdischen Weltverschwörung“ oder den „Protokollen der Weisen von Zion“. Aufgrund der meist „unpolitischen“ Natur von Internet Nutzer*innen werden solche Zusammenhänge aber meist weggedacht oder ausgeblendet, wenn man sich an die horrenden, Holocaust verharmlosenden Aktionen der selbsternannten „Querdenker“ zurückerinnert – Stichwort „Ich fühle mich wie Sophie Scholl“ und „ungeimpft“ Sterne.

Richtig gefährlich wird es, wenn Esoteriker Anspruch auf medizinische Methodik erheben. Das fängt an bei Homöopathie, die nicht über den Placeboeffekt hinauswirkt, und endet bei versprochener Krebsheilung durch Handauflegen. Die Folgen solcher „Behandlungen“ können von Wirkungslosigkeit bis hin zu ernsthaften Schäden gehen. Diese „Alternativmedizin“ hatte auch während Covid eine Hochphase, wir alle erinnern uns an Herbert, Volks-Pferdeflüsterer, Kickl der allen das Entwurmungsmittel Ivermectin empfohlen hat – teils mit schwerwiegenden Folgen.

Gesamt soll abschließend gesagt sein, dass Esoterik als Party Trick oder Spaß unter Freunden zwar harmlos ist, jedoch kann sie durchaus auch als slippery-slope für all jene dienen, die schweren Zeiten durchmachen und nach einer Stütze suchen und für all jene, die sowieso schon zum Verschwörungsglauben neigen.